Auf der Schneespitze

am Wintergipfel des Hohen Tenn

Früher Aufbruch beim Wimmhof
Früher Aufbruch beim Wimmhof (6.15 Uhr)
Eigentlich habe ich gar nicht mehr damit gerechnet, dass dieser im Tal so schneelose Winter noch eine Eintragung in mein Tourenbuch zulassen würde; so gut hat sich die kalte Jahreszeit im Jahr 2013 angelassen, mit einem Batzen Schnee schon Anfang Dezember, doch dann folgte eine Föhnwetterlage auf die andere und ließ die weiße Pracht im Tal in Windeseile davonschmelzen. Im selben Maß, wie der Schnee von den Talwiesen verschwand, aperte auch die Motivation für Skitouren aus. Interessanterweise war zwar bei den Touren, die wir ja trotzdem unternommen haben, keine einzige wirklich schlechte dabei - man müsste ehrlicherweise sagen, dass der Schnee meistens sogar ungewöhnlich gut war verglichen mit so manch anderer Saison - aber die Tourenziele waren doch sehr ausgesucht. Die Blicke zu den südlichen Nachbarn, die sich vor den Schneemassen im Jänner und Februar kaum retten konnten, waren zwar neidvoll, aber die Anreise dorthin schlussendlich doch stets zu aufwändig. Denn irgendwie ließ sich mit der mageren Unterlage am Spielberg und in den Grasbergen rund um Leogang ja doch etwas anfangen.

Es zeugt natürlich von einer gewissen Arroganz, wenn zum Beispiel eine Skitour auf den Spielberg als nicht Tourenbuch-würdig abqualifiziert wird. Denn eigentlich war die Tour mit Helmut auf diesen meinen Heimatgipfel dieses mal ein außergewöhnliches Unternehmen und durchaus prickelnd, weil die Querung von der Torrinne hinüber auf die Schulter, die zum Spielberggipfel führt, von mulmigen Gefühlen begleitet wurde. Vor uns war keine Spur zu sehen und der Wind hatte den Schnee doch ziemlich bearbeitet. Der Windharschdeckel unter den 20 cm Pulverschnee wirkte zwar sehr kompakt und hart, aber man weiß nie, und diese 50 Höhenmeter haben unter den heimischen Tourengehern einen schlechten Ruf. Jedenfalls war es ein wunderbares Gefühl, bei diesen Bedingungen den Gipfel des Spielbergs zu erreichen und ich habe auch fest vor, ihm einmal einen Eintrag in meinem Tourenbuch zu spendieren.

Auch die Skitour auf den Marterlkopf mit Andi, Elisabeth und Moni wäre es wert gewesen, darüber zu berichten. Nur ein einziges mal mußten wir die Schi bei dieser Tour für 10 Meter abschnallen, aber das kann einem bei mehr Schnee bei der Querung des ominösen Grabens weit unten, schon im Bereich der flachen Wiesen, auch passieren. Das Finden der optimalen Spur beim Durchgang durch das Blockgewirr bevor es steil wird kann man sich zwar in normalen Jahren sparen, aber wirklich störend war es eigentlich nicht. Der Lohn für die technischen Schwierigkeiten im Aufstieg war dafür die Einsamkeit, die man bei dieser beliebten Tour auf die Torscharte sonst ohnehin nicht leicht findet. Und soviel Schnee war auf unserer Abfahrt dann doch vorhanden, dass es der Andi in gewohnter Manier so richtig "tuschen" lassen konnte.

Die Skitour auf den Hochkogel - ein Traum! Selten bin ich mit einem so guten und gut präparierten Ski unterwegs gewesen wie mit Hias' Leihschi von Movement. Allerdings hätte ich bei diesem Pulverschnee wahrscheinlich auch mit zwei Fassdauben an den Füßen herunterfahren können, so gut waren die Verhältnisse. Alle neun waren wir von der Abfahrt und von Hermanns Tourenvorschlag begeistert. Aber in's Tourenbuch hat diese Tour auch keinen Eingang gefunden, vielleicht weil damit die Tourensaison mental abgeschlossen war, immerhin wagten wir uns zu dieser Zeit - Ende Februar - bereits im T-shirt zu den einladend warmen Kletterfelsen in Weißbach.

Der Andi zeigte aber eine anhaltende, hartnäckige Skitourenmotivation. Ich war in diesen Wochen jedesmal ganz erstaunt und auch direkt neidisch, wenn ich von einer neuen Tour erfuhr, die der Andi unternommen hatte, und das waren im Lauf von Februar und März einige, vor allem auch lange und anspruchsvolle! Es zeugt von Motivation und Tatkraft, wenn jemand Ziele im Kopf hat und sie auch umgehend verwirklicht. Um beides bewunderte und beneidete ich den Andi. Deswegen konnte ich wahrscheinlich auch seine Einladung, mit auf Tour zu kommen, nicht ablehnen. Zwei Ziele stellte der Andi für diesen 11. März zur Auswahl, den Ritterkopf oder den Hohen Tenn, allerdings unter der Voraussetzung eines beschränkten Zeitkontingents. Um 14 Uhr müssten wir spätestens zurück in Leogang sein. Zwar war ich bisher weder am Tenn noch am Ritterkopf, aber die Präferenz war eindeutig auf Seiten der berühmt-berüchtigten längsten Skitour im Pinzgau, durch die Schmalzgrube auf den Hohen Tenn. Skitourengeher neigen ja wie alle Sportler zu Understatements, aber irgendwie bekommt man doch den Respekt, den jeder vor diesen über 2000 Höhenmetern Anstieg hat, mit, und wahrscheinlich war es deshalb so reizvoll, sich an dieser Skitour zu versuchen, mit der richtigen Einstellung und dem gehörigen Respekt sollte es ja doch in anständiger Manier zu schaffen sein.

Aufstehen um 4 Uhr morgens, Treffen mit Andi um 5. Während mir noch der Schlaf ins Gesicht geschrieben stand, versprühte Andi bereits Energie und Tatendrang. In Haid stieg dann auch noch Moni zu. Sie hatte sich den Dienstag frei nehmen können - nein, müssen - für sie sind die langen Skitouren in den Tauern eine unwiderstehliche Verlockung, mehr Genuss denn Herausforderung, denn konditionell stellen sie Moni kaum auf die Probe. Es war auch bei weitem nicht das erste mal, dass Moni auf den Tenn ging, aber trotzdem konnte man spüren, dass diese Tour für sie immer noch etwas Besonderes ist. Dann ein kleiner Schock beim Eintreffen am Parkplatz: eine Menge Autos standen um 6 Uhr bereits auf der begrenzten Parkfläche und eine größere Gruppe Tourengeher schickte sich soeben an, loszumaschieren. Uff, würden wir uns wohl in eine lange Schlange Tourengeher einreihen müssen? Die Sorge war aber unbegründet: die meisten der Autos waren offenbar der Baustelle unterm Wimmhof zugehörig, zumindest hielt sich die Zahl der Skitouristen an diesem Wochentag in Grenzen (wenngleich sich am Tenngrat dann mehr Bergsteiger tummelten, als man das für einen Dienstag für möglich halten würde.)

5 Minuten mussten wir die Ski tragen, bis wir auf die dünne, aber noch geschlossene Schneedecke stießen. Gerechnet hatten wir mit mehr Zeit, weswegen wir die Ski auch auf unsere Rucksäcke geschnallt hatten. Die Zahl der Abfahrtspuren verriet schon, dass in den letzten Tagen hier mehr los gewesen sein musste. Passable Verhältnisse am Tenn sprechen sich eben schnell herum. Wobei: wer hatte uns im Vorfeld bereits gesagt, dass der Schnee in der Schmalzgrube eigentlich ziemlich schlecht sein würde? Die blaue Stunde verbrachten wir am Almweg zur Schmalzgrubenhochalm, wo wir dann endlich in das warme Licht der ersten Sonnenstrahlen eintraten. Ich war wie immer verblüfft über den Eindruck der dunklen Tauernberge, die so ganz anders sind als unsere hellgrauen Kalkberge. Richtig düster wirkte es, wenn man in den Schatten der Gratkette zu unserer Linken eintrat, und gleich wieder freundlich, wenn man aus ihm heraustrat, etwa um eine Trinkpause einzulegen. Bisher waren wir flott, aber nicht übertrieben schnell unterwegs. Für mich änderte sich das, als wir auf eine Tourengruppe vor uns aufliefen, die sich im Gegensatz zu uns auf der vorhandenen, allerdings glasigen Aufstiegsspur nach oben mühte. Zwei Personen lösten sich spontan aus dieser Gruppe und gingen ein anderes, schnelleres Tempo. Hinter uns hatten sich bereits drei wettkampfmäßig gekleidete Tourengeher eingereiht und nutzten gern die alternative Spur, die wir für unser eigenes Fortkommen anlegten. Der Andi hatte sowieso seine eigene Spur im Kopf, die links von unserer verlief. Irgendwo in der Mitte der Schmalzgruppe trafen diese drei Gruppierungen in einem Punkt zusammen, der Andi als Erster. Nach etwa 10 Minuten traten die beiden Männer der anderen Tourengruppe, die bisher auf Andi folgten, aus der Spur und machten uns Platz. Offiziell war es Zeit für die allstündliche Trinkpause, wie wir im Vorbeigehen gezwungenermaßen erfuhren. Nun also japste ich dem Andi hinterher, die Moni dicht auf den Fersen und das Wettkampf-Grüppchen im Genick. Schließlich war es passiert, ich war in den roten Bereich geraten, am Fuß der Zwingleiten merkte ich es. Während Andi und Moni ohne Pause dem Zwingkopf zustrebten, musste ich stehenbleiben und etwas gegen den sich ankündigenden Hungerast unternehmen. Wenigstens konnte ich von meinem Pausenplatz aus endlich wieder ohne Hetze ein Foto knipsen.

Knapp unterm Schidepot warteten Andi und Moni auf mich, um dort gemeinsam die Vorbereitungen für den langen Marsch über den Tenngrat zu treffen. Wir hatten die Steigeisen eingepackt und zogen sie deshalb jetzt auch an, auch wenn die Verhältnisse das nicht unbedingt erzwangen. Lang zog sich der Grat von uns hin. Wahrscheinlich scheinen Distanzen müden Augen noch viel länger, als sie wirklich sind. Jedenfalls schien das Gipfelkreuz der Schneespitze nicht und nicht näherzukommen. Beim Anblick des mächtigen Gipfelkreuzes in der Mitte des Grats vor uns fragte ich Moni ungläubig, ob das der Hohe Tenn sei. Sie antwortete "Dös is da Wintergipfl vom Tenn", womit wir unserer Tour einen würdigen Endpunkt gaben. Natürlich schauten wir den Grat entlang zum Hohen Tenn, 50 Meter höher als die Schneespitze, aber angesichts des vorgegebenen Zeitrahmens, der Tatsache, dass keine Spur hinüber führte und wir schon recht müde waren, verzichteten wir auf dieses letzte Stück des Wegs.

Zugegebenermaßen nagte (und tut es noch immer) es ein bisschen, dass wir den Grat nicht bis ans Ende gingen. Auch stellen fast alle, die die Tour kennen, die Gretchen-Frage, ob wir wirklich am Hohen Tenn waren. Wir werden das bei Gelegenheit noch nachholen.

Jetzt waren wir einfach glücklich, auf diesem Gipfel zu stehen und die großartige Umgebung von hier oben aus zu genießen. Es gibt wohl kaum eine bessere Aussichtskanzel als den Hohen Tenn - Verzeihung: die Schneespitze. Aber weil der weite Rückweg vom langen Schauen nicht kürzer wird, machten wir uns schon nach ein paar Minuten wieder auf den Rückweg. Der kalte Wind tat da noch sein Übriges dazu. Die Gipfeljause holten wir am Schidepot nach, bevor wir uns zur unglaublich mühevollen Abfahrt zurück ins Tal anschickten. Mit meinen müden Beinchen gab ich es bald auf, eine einigermaßen elegante Spur in den Schnee zu zaubern. Wo wir auch suchten, oben überall nur Bruchharsch, auch weiter unten in der Schmalzgrube keine Spur vom erhofften Firn. So kurvten wir kreuz und quer umher in der Hoffnung, die geeignete Hangrichtung ausfindig zu machen, die uns mit ein paar genussvollen Abfahrtsmetern belohnen würde. Daheim angekommen sollte mein Vater meinen Bericht über die Qualen der Abfahrt mit den Worten kommentieren "Ahh! In da Schmoizgruam hot's a nia an gscheidn Schnee!"

Irgenwann nahm aber auch diese Abfahrt ein Ende und wir erreichten zu einer guten Zeit Andis kleinen schwarzen Flitzer am Wimmhof. Sogar für einen gemütlichen Tourenabschluss auf der sonnigen Terrasse des Lampenhäusls in Fusch war noch Zeit. Verschnaufen am Ende einer großartigen Skitour am Ende eines vermeintlich wenig großartigen Tourenwinters.

Vor den Schmalzgrubenalmen
Dolomitenhafte Eindrücke unter den Schmalzgrubenalmen
Dunkle Berge
Dunkle Berge am Eingang zur Schmalzgrube
Zwingleiten
Unter der Zwingleiten
Gegen Zwingkopf
Es ziieehht sich bis auf den Zwingkopf
Schidepot
Moni bereitet sich auf den Tenngrat vor.
Unter der Schneespitze
Der letzte Aufschwung vor der Schneespitze, aber erst die Hälfte des Tenngrats.
Gipfelfoto
Über den Dingen
Abstieg mit Blick auf Zwingkopf
Tiefblick vom Tenngrat ins apere Fuscher Tal
Schmalzgrubenhochalm
Wunderschöner Rückblick auf furchtbare Abfahrtsverhältnisse

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