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Müßte ich mich unter allen Klettergebieten, die ich in meinem Kletterleben kennengelernt habe, für eines entscheiden, so
würde ich wahrscheinlich das Frankenjura wählen. Erstens, weil der Fels und die Kletterei dort einfach unbeschreiblich lässig sind,
und zweitens, weil die Landschaft äußerst anziehend ist, obwohl man schon sagen muss, dass es keine Gegend für Hochalpinisten ist. Und auch
nicht unbedingt eine Gegend für Vegetarier... und fast lebensfeindlich für abstinente Vegetarier, zu denen ich mich Gott sei Dank aber nicht
zurechnen muss.
In bester Erinnerung ist mir die erste Reise nach Gößweinstein und Umgebung, die ich vor unendlich langer Zeit
mit meiner nicht-kletternden Schwester
unternommen habe. Diese paar Tage in Franken sind mir unvergesslich, und dabei wundere ich mich ja
heute noch, warum wir diese Fahrt überhaupt gemeinsam unternommen haben,
da ich ja kein Hehl daraus gemacht habe, dass es mir dort um's Klettern ginge und meine Schwester damit gar nichts anfangen konnte.
Unbestritten ist aber, dass mit diesem Urlaub der Grundstein für ihre Liebe zu Deutschland
als Reiseland gelegt wurde. Als unheimlich starker Eindruck ist mir noch immer jener Moment in's Gedächtnis eingebrannt,
in dem wir in der tiefstehenden Abendsonne einen jener zahllosen Hügel hinaufgekurvt sind, wo links und rechts der Straße die
goldenen Getreidefelder wogten und man das Gefühl hatte, gleich mit dem Auto geradewegs in den glühenden Feuerball am Himmel zu schießen.
Es war dies ein Moment am Ende eines Kletter-Rasttags, den wir mit einer kleinen Frankenjura-Tour zu einigen der zahllosen Kleinbrauereien verbracht haben,
bei denen wir überall brav eine Flasche Bier
eingekauft haben, um damit später einmal wissenschaftliche Versuchsreihen anstellen zu können.
Selbstredend haben wir dabei auch gleich den einen oder anderen Brauerei-Gastgarten ausprobiert, um ein vollständiges Bild der
lukullischen Landschaft Frankens zu bekommen.
Was das Klettern in diesen Tagen damals betrifft, so bin ich immer noch sehr stolz auf meine on-sight Begehung vom "Sautanz",
und ebenso auf den "Magnet", für den ich mich aber schon sehr viel mehr anstrengen mußte...
Ich könnte nicht sagen, das wievielte mal es bereits ist, dass ich nun am McDonalds bei der Autobahnraststätte in Greding vorbeifahre, der
irgendwie die nahe Ankunft im Frankenjura markiert. Für ein paar von uns ist es allerdings das erste mal, dass sie vom knallgelben
McDonalds "M" begrüßt werden, und es ist schön festzustellen, dass wir zwei Autos voller motivierter Kletterer zusammengebracht
haben. Ganz besonders erfreulich ist, dass sich der Stechaubauer Mich trotz der ganzen Arbeit zuhause die Zeit genommen hat, mitzukommen. Am
Wochenende zuvor, beim Kinderlager am Faaker See, war ihm die Kletterlust schon deutlich anzusehen,
und es hätte wahrscheinlich gar nicht einmal soviel
Überredungskunst gebraucht, ihn zum Mitfahren zu bewegen. Allein seine Skrupel wegen der Tatsache, der Älteste der Gruppe zu sein,
hätten fast doch noch zu einer Absage geführt.
Mit der Ruhe, die aus der Erfahrung kommt, wie weh einem die Finger tun können,
wenn man schon am ersten Tag zu oft und zu schwer klettert, beobachte ich amüsiert,
wie sich am Weißenstein angekommen die Autotüren öffnen und neun Pinzgauer aus den Wagen herauspurzeln, die sich sofort daran machen,
das Klettergeschirr anzulegen und in die Routen im linken und mittleren Teil dieses klassischsten aller klassischen Frankenjuragebiete einzusteigen.
Denn der Weise weiß: coole Kletterer jausnen erst einmal und trinken am Parkplatz Kaffee,
bevor sie überhaupt einmal daran denken, nachzusehen, ob sie das Kletterzeug eingepackt haben.
Hias behauptet ja, er habe einen Plan, aber ich glaube ihm das nicht: innerhalb der ersten Stunde hat er, so wie alle anderen auch,
schon 4 bis 5 Routen hinter sich, und es ist noch nicht einmal Mittag! Aber nur zuschauen, während sich alle anderen auf den Felsen
vergnügen, kann ich auch nicht...
Am Ende des Tages, also so gegen vier Uhr, hat dann aber interessanterweise nur ein Einziger unter uns wehe Finger
(und das ist nicht der Hias!)
Mit einer Ausnahme habe ich bei den Besuchen in der fränkischen Schweiz immer wild campiert (und mich dabei sehr ordentlich
benommen, falls diese Zeilen jemand liest, der deswegen gleich den Zeigefinger erhebt.) Zu neunt geht das aber freilich nicht, und so
ist es endlich einmal an der Zeit, die Zeltwiese der Oma Eichler - Gott hab sie selig - kennenzulernen. Ein bisschen hat der Platz wohl an Zauber
verloren, da bereits ein kleiner Hauch Professionalität über den weichen, grünen Grasboden weht; aber glücklicherweise sorgen
die Waschgelegenheit (richtig gelesen: Einzahl!) und Klos dafür, dass das Gefühl der einfachen Übernachtugsgelegenheit
bestehen bleibt. Ausserdem sei noch bemerkt, dass es entgegen des Eindrucks, der jetzt beim Leser entstanden sein mag, wirklich sehr sauber
beim Gasthof Eichler zugeht, dafür sorgen die Kletterer aus Deutschland gleichermaßen wie Polen, Engländer, Tschechen und Spanier.
Und wo sonst braucht man nach einem anstrengenden Klettertag nur die Hand ausstrecken, um die vorsorglich gekühlten Getränke
aus einem munteren Bächlein herauszufischen?
Etwas starr nach der kühlen Nacht erwacht die Gruppe am folgenden Tag, nur um reptiliengleich beim Eintreffen der ersten Sonnenstrahlen
erneut aktiv zu werden. Die Schloßbergwände sind mir seit jeher in bester Erinnerung, und weil es dort vom unteren 4. bis zum
oberen 10.Grad alle Schwierigkeiten in nächster Nähe gibt, und das nordseitige Wändchen wunderschön in einem lichten
Laubwald gelegen ist, begeben wir uns dorthin. Ich gebe zu: die Wahl fiel auch deswegen darauf, weil dies eines der wenigen Gebiete
im Frankenjura ist, die ich, ohne große Umwege zu nehmen, wiederfinden kann. Man merkt zwar, dass Schönwetter, Urlaub und
Wochenende gleichzeitig ist, da sich ausser uns noch etliche andere Kletterer unter den Felsen tummeln,
aber interessanterweise finden wir uns 50 Meter rechts von den Aufwärmrouten dann plötzlich doch allein am Wandfuß.
Gut, dass von unserem Platz aus nur ein paar Apfelputzen den Weg über den kleinen Abbruch im Wald vor uns finden - abgesehen von
einer Hand, die plötzlich über die Kante reicht, stellen wir beim Rückweg fest, dass sich unter uns eine Höhle und
ein weiteres Wändchen befinden, das recht bevölkert ist. Man stelle sich vor, einer von uns hätte sich, nach dem
reichlichen Genuss von Wasser während des Tages...
Das deklarierte Tagesziel, zehn Routen zu klettern, erreicht keiner von uns.(*)
Das weitere Nachmittagsprogramm besteht aus Kuchenessen, Kaffeetrinken und im Egloffsteiner Schwimmbad auf der Wiese liegen.
Nachdem wir noch Erkundigungen eingeholt haben, wo es sich gut im Gastgarten einer Brauerei sitzen ließe, machen wir uns
zunächst auf den Weg zurück zum Gasthof Eichler und danach nach Thuisbrunn zum Gasthof Seitz, wo sie Elch-Bier brauen.
1.90€ kostet dort die Halbe Bier! Zurück in Innsbruck treibt es mir fast die Tränen in die Augen, wenn ich im Elferhaus
oder Innkeller (3.30€) daran denke. Tommi hat neben mir Platz genommen, und so werde ich unmittelbar Zeuge, wie er ein Schäufle, also ca. ein
Viertel eines Schweins, verdrückt. Sowohl sitt als auch satt machen wir uns an's Bezahlen und rufen die Kellnerin an unseren Tisch.
Der Gasthof Seitz verfügt über ein hochtechnisiertes Bestell.- und Abrechnungssystem: die Kellnerin tippt und hakt auf ihrem
kleinen Computer die Bestellung ein und ab, also z.B. einen Bierradi und eine Halbe Bier, und schon 5 Minuten später kommt schwuppdiwupp
die Gesamtsumme auf einem kleinen Zettelchen heraus. Hias beobachtet den Vorgang und ruft ganz begeistert :"Hobt's de Kellnerin g'segn?
Vorn rechnet's und hint' kimbt die Rechnung aussa!". Damit hat auch dieser Ausflug noch einen würdigen Spruch der Woche bekommen.
Der Sonntag beginnt in einer gewittrigen Himmelsstimmung, es ist unser Abreisetag. Wir entscheiden uns für ein Gebiet, das bereits eher
in Reiserichtung liegt, die Castellwand, und packen unser Zeug zusammen. Ein Blick auf die Strassenkarte verrät, dass wir nicht weit
fahren müssen, allerdings erwische ich hinter Obertrubach gleich die erste Kreuzung falsch und schon sind wir im fränkischen
Strassenwirrwarr verloren. Mein humanes Navigationssystem Tommi, der hinter mir sitzt, nimmt sich der Sache an und dirigiert mich doch noch
sicher in's Hirschbachtal. Etwa eine dreiviertel Stunde brauchen wir, bis wir am Parkplatz ankommen. Wir sind dort nicht allein, und
Tanja schwört, dass der Vater, der soeben seinen Sohn aus dem Auto auslädt, bei unserer Abfahrt in Wolfsberg dem Buben auf der
Zeltwiese bei Oma Eichler noch die Zähne geputzt hat. Coole Kletterer wissen aber, dass trotz des Umwegs noch Zeit genug ist, einen
ausgiebigen Klettertag zu verbringen. Im Gegensatz zur heimischen Führerliteratur, in der der Zustieg auch zu den entferntesten
Kletterrouten stets mit 1 - 1.5 Stunden angegeben wird, also maximal der Hälfte der Zeit, die man dann tatsächlich benötigt,
werden die Zustiegszeiten und Weglängen in Franken großzügig bemessen. Die Castellwand liegt nur einen Katzensprung vom
Parkplatz entfernt in einem wunderschönen flachen, lichten Laubwald - ein wahrhaft zauberhafter Platz. Nur die Leute stören etwas,
hier ist ein ziemlicher Betrieb; trotzdem findet sich für jeden immer eine freie Route. Die anfänglich langen, verzagten Gesichter
angesichts der steilen, abweisenden Felsen mit den weiten Hakenabständen entspannen sich bald und jeder versucht an diesem dritten und
letzten Klettertag in Franken, möglichst viele Klettermeter mit nach Hause zu nehmen. Die gewittrige Luft hat sich in Form einiger
weniger Regentropfen aufgelöst und einmal mehr einem azurblauen Himmel Platz gemacht,
und so bleiben wir auch heute von Blitz und Regen verschont. Erst am Weg zurück Richtung
Berge geraten wir unter die dunklen, regenträchtigen Wolken, die unsere Autos auf der belebten Autobahn zu gemäßigten
Geschwindigkeiten mahnen. Gern wären wir noch länger geblieben, wenigstens einen Tag noch;
aber bekanntlich soll man ja aufhören, wenn es am Schönsten ist.
Ausserdem kommen wir ja bald wieder!
(*) Im Zuge eines kleinen Zusammensitzens im Inschlag eine Woche später teilte mir Hermann mit, dass er dieses Ziel sehr
wohl erreicht hat; vom Rest der Gruppe unbeobachtet kletterte er zum Abschluss das "Kupferdachl" noch rotpunkt und machte somit der
Leoganger Klettergilde noch mehr Ehre.
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