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Über's Rothorn

Leoganger Steinberge

Am Hundshörndl In meiner Kletterkiste, in der übrigens stets große Unordnung herrscht, liegen auch Kletterführer, die ich in Anlehnung an die Bibel gern in Bücher unterteile, die dem Alten Testament zugehörig sind, und Bücher, die dem Neuen Testament zugeschrieben werden können. Zum Neuen Testament gehört etwa das Werk meines Lieblingsevangelisten Adi Stocker, "Steinplatte", das in Analogie zur Frohen Botschaft fast nur von gut abgesicherten, meist Plaisirtouren in ausgezeichnetem Fels kündet, und das nicht nur an den Tagen im Sommer und Herbst im Freien, sondern auch in den Zeiten von Schnee und Regen daheim an der Ofenbank eine willkommene und freudvolle Lektüre darstellt. Es verhält sich zwar nicht gerade so, dass dieser Kletterführer nicht auch Routen mit großem Anspruch und Ernst enthält, speziell im Auswahlteil über den Loferer und Leoganger Stoaberg, so wie auch das Neue Testament nicht nur aus den Seligpreisungen der Bergpredigt besteht; aber im Großen und Ganzen ist es der Führer der ersten Wahl, wenn es um Genuss und Spaß beim Klettern in unserer Region geht.

In meiner Kiste liegen aber auch andere Bücher, die eine Berg.- und Kletterwelt ohne Bohrhaken, dafür mit brüchigem Fels und ausgesetzten Schotterbändern beschreiben. Dazu gehört das Buch "Loferer und Leoganger Steinberge" aus dem Rother-Verlag, inzwischen leider vergriffen und nicht mehr neu aufgelegt, dessen Erstautor vom Teil über den Loferer Stoaberg lustigerweise ebenfalls Adi Stocker ist. Und ebenso unheimlich und abschreckend wie das Welt.- und Gottesbild des Alten Testaments empfinde ich viele der darin beschriebenen Wege; nicht notwendigerweise Kletterrouten, die "nicht immer leicht abzusichern" sind, oder deren "Wegfindung alpinistischen Spürsinn erfordern", sondern ganz gewöhnliche Anstiege, die dann noch dazu als "unschwierig" - beachte, es heißt dort niemals "leicht"! - beschrieben werden. So wie sich die großen Figuren des Alten Testaments aber ihrem fordernden und totalitären Gott und den ihnen gestellten Prüfungen nicht entziehen konnten, so zieht einen dann und wann auf geheimnisvolle Weise auch ein bestimmter Weg und ein bestimmtes Ziel in seinen Bann und fordert einen auf, zu gehen.

In meinem Fall war das jüngst das Rothorn, als nördlicher Pfeiler der Leoganger Steinberge ist seine Gestalt jedem, der von St. Martin bei Lofer kommend Richtung Vorderkaserklamm fährt oder von Saalfelden aus Weißbach passiert, wohlvertraut. Aber auch vom Hundshörndl aus kann man es in der Ferne als Endpunkt des Grates, der beide Gipfel verbindet, ausmachen und ich habe im Sommer wie im Winter diese Verbindung mit Respekt und Sehnsucht betrachtet. Tatsächlich steht darüber auch recht ausführlich etwas in meinem Alten Testament geschrieben, vornehmlich sei es "unschwierig", aber dann steht auch etwas von einem Kamin, der im 4.Grad im Abstieg bewältigt wird (der aber auch über ein Schotterband umgangen werden kann) und von "Abklettern durch eine schottergefüllte Rinne, II bis III", durchaus Zutaten für einen alpinen Horrortrip, soweit es mich betrifft. Mit meinen Wegbegleitern Christoph, Hannes, Hias und Nicki habe ich mich aber doch darauf eingelassen und bin mit einem wundervollen, einsamen, ausgefüllten Tag reich belohnt worden, nicht zuletzt deshalb, weil wir weder den ausgesetzten Kamin noch die Schotterrinne passieren mussten.
Tja, letzten Endes ist der Gott des Alten Testaments doch ein Liebender, was in Bezug auf mein Rother-Büchlein im Allgemeinen und diese Tour im Speziellen ebenfalls noch eine schöne Analogie ist.

Übrigens: das Gipfelbuch am Rothorn liegt seit Anfang der 90er Jahre auf und es sind erst ein paar Seiten mit den Namen seiner wenigen Besucher beschrieben. Wer sich hier einträgt, hat gute Aussichten darauf, dass der Name seinen Träger überdauert.

Unschwierig...
Schotterband statt Kamin Am Weg zum Schaflspitz
Rückschau Ausschau
Vorschau Am Rothorn Richtung Haitzmannscharte

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