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Diesmal reagierte das Amt für das Bergmesse.- und Wallfahrtswesen prompt
und sendete seinen Sekretär stante pede nach Maria
Kirchental, um jegliche Störung der himmlischen Ruhe dieses gesegneten
Platzes von vornherein auszuschließen, oder, falls bereits geschehen, zu
ahnden. Ein Jäger hatte die Bergsteiger denunziert und Meldung an
das Erzbistum gemacht, nachdem er von seinem Hochstand drei Gestalten
ausgemacht hatte, die sich steten Schrittes Richtung Lärchhörndl,
Sattelhorn und Großes Ochsenhorn
bewegten und dadurch seine ohnehin schlechten Chancen, heute noch zum Schuss zu
kommen, praktisch auf Null verringerten. Unfähig, die Skitouristen
zu stellen, und zu sehr mit Skrupeln und dem Wissen um seine Unfähigkeit behaftet,
aus zweihundert Meter Entfernung einen von ihnen über den Haufen schießen zu können, fiel ihm der
lange, segen.- aber auch unheilbringende Arm der Kirche ein, den er zum Werkzeug
seiner Rache machen wollte. So also kam es, dass er seinen Finger vom Abzug
nahm und ihn stattdessen auf die Tasten seines Mobiltelefons legte.
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Der kleine, rundliche Franziskaner hatte nie im Leben damit gerechnet, dass
die Übernahme dieses, wie es schien, eher unbedeutenden Amts ihm so viel Arbeit und
Unannehmlichkeiten bereiten würde. Schon das zweite mal innerhalb nur eines Jahres
wurde er nun in's Innergebirg bestellt, um einem möglichen Unfug im
Umkreis der Wallfahrskirche Fischer von Erlach's Einhalt zu gebieten. Um
rechtzeitig zur Vesper wieder zurück zu sein, machte er sich auch
tatsächlich auf der Stelle auf den Weg, denn er rechnete fest damit, dass
sich diese Geschichte wie auch die vom letzten mal in Wohlgefallen
auflösen würde; seinen Lieblingschoral wollte er an diesem Abend auf
keinen Fall versäumen. Das war auch der Grund, weshalb er nur das Notwendigste einpackte:
sein kleines, schwarzes Sündenregister und ein Fernglas, das ihm den nötigen Abstand
zum möglicherweise tadelswerten Treiben gewährleisten würde.
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Später als erhofft traf er in dem von der Hektik seines Klosteralltags
verschont gebliebenen Hochtal von Maria Kirchental ein. Der Kreuzweg, den er
bereits in der Rekordzeit eines einzelnen freudenreichen Rosenkranzes
bewältigt hatte (damals war er natürlich bedeutend jünger
und von nicht so großer Leibesfülle, aber man konnte ihn immer noch
als durchaus quirlig und flink bezeichnen und ihm einen schnellen Aufstieg
zutrauen) war noch tief verschneit und
zwang ihn zum Umweg über die leicht eisige Rodelbahn.
So also erreichte er die
kleine Ansiedlung erst, als die Ski der drei Denunzierten bereits vor der
Eingangstür zum Gasthaus Kirchental angelehnt waren. Etwas ratlos, wie er
seine Mission fortführen sollte, die er nur unter Zuhilfenahme seines
Fernguckers auszuführen gedacht hatte, schlüpfte er schließlich bei der
schweren Haustüre hinein und schnurstracks in die Gaststube, wo er sich
hinter dem warmen Kachelofen versteckte und sich durch das Belauschen der drei
Skifahrer Aufschluß über deren etwaige Verfehlungen erhoffte.
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So kam es, dass er vom kürzlich erfolgten, frevlerischen Aufstieg Adi und Poits auf das Mitterhorn
erfuhr, den die beiden bei schlechten Schneebedingungen durchgeführt
und dabei das eine oder andere Schneebrett abgetreten hatten. Die Zweifel und
Reue Poits darüber rührten aber den Franziskaner, sodass er die eben
aufgenommenen Notizen sofort wieder durchstrich und stattdessen ein Plus in
die Spalte für Bußaktivitäten eintrug. Ein Doppelplus malte
er kurz danach in sein schwarzes Register, als er von der seit Jahren geduldig und demütig ertragenen
Bedrohung durch ein Gerichtsverfahren hören mußte, das Adi aufgrund seiner
Tourenerschließungen im Einflußbereich der Bundesforste
verfolgte. Obwohl er das "Register aller Sünden und allgemein unsittlicher oder verwerflicher
Handlungen" natürlich nicht
auswendig, doch aber sehr gut kannte, so konnte er sich beim besten Willen nicht daran erinnern,
dass das Setzen von Bohrhaken darin mit einer Silbe erwähnt wurde. So also kam es, dass
er Adi als Entschädigung ein Doppelplus zugestand. Überhaupt
registrierte er mit wachsender Genugtuung die stetig wachsende Zahl an
Weltverbesserungsvorschlägen, die in der Runde geäußert
wurden, was dem Sprecher die eine oder andere positive Anmerkung des
Geistlichen in seinem Buch eintrug.
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Je länger er also den Gesprächen der drei Tourengeher lauschte, umso
mehr gelangte er zur Einsicht, dass es sich um durchaus gottesfürchtige
und fromme
Männer handelte, denen man als einziges Vergehen anlasten konnte, dass
sie rechte Gasthaushocker waren. Denn es waren inzwischen schon etliche
Stunden vergangen und sie machten keine Anstalten, ihre Zeche zu bezahlen und
aufzubrechen. Allein der Jügste von ihnen huschte in stetig kürzer
werdenden Abständen
aus der Gaststube in das Vorhaus und tauchte ein paar
Minuten später mit sichtbarer Erleichterung wieder auf. Geduldig
wartete der Geistliche also den Aufbruch der Männer ab und war auf diese
Weise selbst schon beim fünften Weißbier angelangt. Als er es
bemerkte, nahm er sein Notizbuch und trug sich selbst ein dick angemaltes
Minus ein.
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Als die Gruppe dann doch Anstalten traf, den Heimweg endlich anzutreten,
schreckte der Franziskaner auf und verließ fluchtartig das Wirtshaus, um
nicht von den von ihm Belauschten entdeckt zu werden. Vor dem Eingangstor
griff er nach einer Rodel und machte sich im Dunkeln eilends an die rasante Talfahrt
um nicht mit den Schifahrern zusammenzutreffen. Erst als er mit Funken
stiebenden Kufen um die letzte Kurve bog und die letzten hundert Meter auf aperem Asphalt
zu seinem Wagen schlitterte, erinnerte er sich überrascht daran, dass auf den
Straßen im Tal kein Schnee mehr lag. Er stellte also gerade seinen Schlitten ab,
als er Zeuge eines bemerkenswerten Ereignisses
wurde: der erste, schnellste und geschickteste der drei Schifahrer fuhr, als er sich
des Asphalts vor sich gewahr wurde, die Schneewand hinauf und schwang auf der
schneebedeckten Wiese ab. Der zweite, nicht ganz so Geschickte, fuhr so lange
auf dem schmalen Schneeband am Rand der Straße entlang, bis er
in der Schneewand stecken blieb. Der letzte der drei
Männer fuhr in der Kurve geradeaus auf die apere
Straße, wo er sich dann auf dem Hosenboden sitzend wiederfand. Der
rundliche Franziskaner zog, als den Schatten hinfallen und sprichwörtlich "de Gaa" von dessen
Hosenboden aufgehen sah, und das Geräsch einer Goretex-Jacke wahrnahm, die auf schwarzem Asphalt
dahinschliff, die Luft durch die Zähne ein, zog sein Büchlein und malte ein
letztes Plus in Poits Spalte.
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Spät und recht zerzaust erreichte der Sekretär des Amts für das Bergmesse.- und
Wallfahrtswesen seine Klause im heimatlichen Salzburger Kloster. Den gemeinsamen, erbaulichen
Choralgesang hatte er natürlich verpaßt, trotzdem war er nicht
unzufrieden mit dem heutigen Tag und machte sich auch ohne Zögern und ohne großen
Widerwillen daran, den Bericht an das fürsterzbischöfliche
Ordinariat abzufassen. Nebst dem Antrag auf vollständige Absolution der drei unschuldig
in Mißkredit geratenen Bergsteiger fügte er in eigener Sache die abschließende
Bitte an, ihn in Zukunft doch bitte "mit so einem Schmarrn in Frieden zu lassen."
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